Neue Regel gegen Schwarzmarkt
Eine ganze Branche wird an den Pranger gestellt
Seit diesem Freitag greift eine neue Regel, die den Schwarzmarkt eindämmen soll. Experten befürchten jedoch das genaue Gegenteil.
Wenn das Finanzministerium ein Gesetz auf den Weg bringt, um den Schwarzmarkt einzuschränken, erfüllt das in den meisten Fällen auch seinen Zweck. Bei einer Verordnung, die ab diesem Freitag in Kraft tritt, könnte das erklärte Ziel allerdings verfehlt werden. Das sagen zumindest Fachpolitiker, Experten und der zuständige Zoll.
Konkret geht es um die sogenannte 25-Gramm-Regel für Shishatabak. Zugegeben: Die Wasserpfeifenbranche läuft etwas unter dem Radar, hat auch nicht den besten Ruf. Doch mit der Regelung steht sie vor dem Aus; legaler Shishatabak könnte knapp werden, der Schwarzmarkt sich ausweiten. Dabei soll das Gesetz doch das Gegenteil erreichen.
Shishatabak darf in Deutschland künftig nur noch in maximal 25-Gramm-Verpackungen verkauft werden. Altbestände in größeren Packungen dürfen Händler lediglich noch bis Ende des Jahres anbieten.
Firmen kritisieren zu kurze Umstellungszeit
Aktuell ist die glibberige Paste, die zum Rauchen in den Kopf der Wasserpfeife gefüllt werden muss, in allen möglichen Größen verfügbar: Zwischen 10 und 250 Gramm ist alles dabei, auch Ein- und Zwei-Kilo-Gebinde werden verkauft. Zur Befüllung eines Shisha-Kopfes sind je nach Gusto circa 20 Gramm nötig. Das heißt: Wer eine 200-Gramm-Packung kauft, hat etwa 10 Portionen, beim Kilo-Paket sind es 50.
Das Hauptproblem für die Firmen: die viel zu kurze Umstellungszeit; die „Siebte Verordnung zur Änderung von Verbrauchsteuerverordnungen“ hat das Finanzministerium unter Olaf Scholz (SPD) vergangenen August veröffentlicht. Denn die Unternehmen müssten völlig neue Portionierungsmaschinen kaufen, die jedoch oftmals nicht lieferfähig sind – nicht zuletzt wegen des Chipmangels. Auch Pappe für die neuen Umverpackungen sei aktuell nur schwer oder teuer zu bekommen, heißt es.
Das Fazit laut Shishaverband, der Lobbyarbeit für die Branche betreibt: Erst sechs bis sieben der 100 deutschen Wasserpfeifentabak-Firmen seien schon jetzt in der Lage, die kleinen Packungen herzustellen – der Rest nicht. Keine Maschinen bedeutet kein Geschäft.
FDP-Politiker tue es „unendlich leid“
Auch Till Mansmann, FDP-Finanzpolitiker und Berichterstatter seiner Fraktion für die 25-Gramm-Regel, kennt das Problem, seine Bilanz fällt entsprechend nüchtern aus. „Die Zeit für die Umstellung der Produktion ist mit rund zehn Monaten recht knapp bemessen. Das Zusammenbrechen der Lieferketten, die aktuelle Krisensituation verschärft das nochmals“, so Mansmann im Gespräch mit t-online.
„Es gibt bestimmt Unternehmen, die es schaffen werden, rechtzeitig die Produktion umzustellen. Ich gehe jedoch davon aus, dass viele Shishafirmen den Betrieb ganz oder teilweise einstellen müssen.“ Das tue ihm „unendlich leid, schließlich hängen da Existenzen, Menschen dran“, sagt der FDP-Mann weiter. Der Shishaverband geht davon aus, dass rund 50.000 Jobs an der Branche hängen, die einen Umsatz von mehreren Hundert Millionen Euro im Jahr erwirtschaftet.
Allein: Wo legale Hersteller nicht oder nur teurer liefern können, floriert normalerweise der Schwarzmarkt. Genau das fürchtet nun auch die Shishabranche.
„Es ist fatal, Schmuggel und Steuerhinterziehung Tür und Tor zu öffnen“
Im Vergleich zum Jahresende 2021 wird Wasserpfeifentabak nach Schätzung des Branchenverbandes künftig etwa das Doppelte kosten. Auch wegen einer Zusatzsteuer auf Wasserpfeifentabak, die seit Jahresbeginn greift. 160 Millionen Euro an Steuern dürften dem Fiskus dieses Jahr flöten gehen.
Dass eine solche Warnung vom Lobbyverband kommt, ist nicht verwunderlich. Doch Politiker Mansmann schlägt in dieselbe Kerbe. „Die Menschen werden ihren Bedarf im Zweifel auf illegalen Wegen decken“, so der FDP-Politiker. „Die Gefahr eines millionenschweren Schwarzmarkts besteht durchaus. Es ist fatal, Schmuggel und Steuerhinterziehung Tür und Tor zu öffnen.“
Das ist die Logik hinter der Regel
Das aber würde das eigentliche Ziel der Regelung konterkarieren, dem Ende des sogenannten „Vereinzelungsverbots“: Aus einer großen Packung verkaufen die Bars einzelne kleine Portionen Wasserpfeifentabak an ihre Kunden. Was bei Kaffee legal ist – auch dort bezahlt der Gastronom für eine große Packung und verkauft kleinere Portionen dann aufbereitet weiter – ist beim Tabak untersagt.
Die Logik hinter der 25-Gramm-Regelung: Bei so kleinen Packungen wird nicht mehr „vereinzelt“, weil zu wenig Menge da ist. Dadurch soll der bisher weit verbreitete Verstoß gegen das Steuergesetz unmöglich gemacht werden, der sich durch die neue Zusatzsteuer womöglich noch ausweiten könnte.
Auch das Bundesfinanzministerium argumentiert in diese Richtung. Die Vorschrift erleichtere „die Anwendung und Durchsetzung der Bestimmungen des Tabaksteuerrechts und dient der Bekämpfung der Steuerhinterziehung“.
Die Thematik des Schwarzmarkts sei der Bundesregierung bekannt. „Dem Schwarzmarkt wird, wie auch bisher schon, mit zielgerichteten Kontrollen sowie entsprechenden Ermittlungen der Zollfahndung begegnet. Zudem beobachtet der Zoll die Entwicklungen auch in diesem Aufgabenbereich weiterhin aufmerksam“, heißt es weiter.
Der Zoll sieht das jedoch etwas anders. Frank Buckenhofer, Chef der Polizeigewerkschaft GdP beim Zoll, sagte t-online bereits im April, Tabakprodukte seien für Kriminelle „äußerst lukrativ“, weil man mit ihnen am Schwarzmarkt riesige Gewinne machen könne. „Die verpflichtenden 25-Gramm-Verpackungen bei Wasserpfeifentabak machen das legale Produkt nun noch teurer und schaffen damit weitere Anreize für kriminelle Anbieter.“
SPD-Politiker: Schwarzmarkt werde „herbeigeredet“
Michael Schrodi, SPD-Finanzpolitiker, lässt diese Sorge nicht gelten, er verteidigt die 25-Gramm-Regelung. „Die höhere Besteuerung beinhaltet leider die Gefahr, dass es zu mehr Steuerbetrug kommt“, sagte er auf Anfrage von t-online. Mit der 25-Gramm-Regel solle dem nun vorgebeugt werden. Kopfschüttelnd bemängelt er, dass die Branche „erst im letzten Moment und kurz vor Inkrafttreten geradezu reflexhaft vor mehr Schwarzmarkt warnt“.
Die Verpackungsgröße sei aber schon im vergangenen Sommer Thema gewesen, als die Zusatzsteuer auf Shishatabak sowie eine neue Besteuerung von E-Zigaretten mit dem „Tabaksteuermodernisierungsgesetz“ geregelt worden seien.
Es bestehe die Gefahr, die Entwicklung hin zum Schwarzmarkt „zu banalisieren und geradezu herbeizureden“, sagte der SPD-Abgeordnete. „Man könnte den Eindruck bekommen, dass diese Regelung jetzt genau deshalb so vehement kritisiert wird, weil sie ihren Zweck tatsächlich erreichen könnte – nämlich den bisher eher ‚großzügigen‘ Umgang mit der Besteuerung von Wasserpfeifentabak einzuschränken“, so Schrodi weiter.
„Zahlreiche rechtliche Lücken“
In der Wissenschaft glaubt man nicht daran. Zugegeben: Sehr viel Forschung über die 25-Gramm-Regel gibt es bislang noch nicht. Auch weil sie ja erst ab diesem Freitag greift, die tatsächlichen Auswirkungen abzuwarten bleiben.
Jurist Miguel Veljovic, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht und Kriminologie der Uni Halle-Wittenberg, beschäftigt sich mit der neuen Vorschrift. Sein Fazit ist eindeutig: „Sie ist aus wissenschaftlicher Perspektive kontraintuitiv und damit zwecklos.“ Vielmehr sehe er bei der Vorschrift „zahlreiche rechtliche Lücken“, sagte er t-online.
Mehr noch, so Veljovic: „Ich verstehe nicht, wie mit der Regelung der Schwarzmarkt effektiv bekämpft werden soll.“ Viel eher würden „gegenteilige Effekte“ ausgelöst, so Veljovic, „der Schwarzmarkt könnte sich ausweiten“.
Politiker wollten Regel kippen
Wegen dieser Sorgen liefen nach Informationen von t-online in den vergangenen Wochen innerhalb der Regierungsfraktionen zahlreiche Gespräche, die Regelung ganz zu kippen oder zumindest zu verschieben. Diese Pläne sind nun vom Tisch. Aus Kreisen der Ampelkoalition hieß es zuletzt, dass sich besonders die SPD gegen eine Verschiebung der Vorschrift gesperrt habe.
Wenig Differenzen hat es demnach zwischen FDP und Grünen gegeben. Tatsächlich sagt der Grünen-Abgeordnete Sascha Müller, dass man sich eine längere Umsetzungsfrist hätte vorstellen können. Er fügt jedoch hinzu: „Die Bedenken der Branche haben uns aber erst spät erreicht und eine Anpassung wäre nur per Verordnungsänderung möglich gewesen.“ Diese wäre frühestens im Oktober abgeschlossen.
„Ein Verschieben des Inkrafttretens käme damit unserer Meinung nach zu spät und würde die Anstrengungen von Unternehmen, welche mit hohem Ressourceneinsatz auf eine Umstellung ihrer Produktion zum 1.7. hinarbeiten, konterkarieren.“ Auch das Finanzministerium hält an der Regelung fest. Ein Abgeordneter, der namentlich nicht genannt werden möchte, sagte t-online, an solch einer Regelung „lässt man nicht die Koalition scheitern“.
„Eine ganze Branche wird an den Pranger gestellt“
Rechtswissenschaftler Veljovic hätte sich einen anderen Ausgang gewünscht. Er sieht noch einen anderen Kritikpunkt an der Regelung. „Die Shishabranche kämpft mit dem Image von Clankriminalität: Der Gesetzgeber befeuert hier eine in Repressionen mündende Agenda der Vorverurteilung, die jedoch fehl am Platz ist. Eine ganze Branche wird an den Pranger gestellt.“
Veljovic macht daher einen anderen Vorschlag: „Statt an der Ware anzusetzen, wäre es besser, den Zugang zur Vertriebsmöglichkeit zu ändern, etwa mit einer Zertifizierung von Shishabars samt entsprechenden Schulungen der Betreiber. Dann könnte der Gesetzgeber sicherstellen, dass nur Menschen Shishabars eröffnen, die eine für die Kriminalitätsprävention entscheidende starke Steuermoral aufweisen.“
Neuer Verband: Shisha-Branche will weg von ihrem Schmuddelimage
Auch Zoll-Gewerkschafter Buckenhofer argumentiert in diese Richtung. „Es gibt redliche Shisha-Barbesitzer und unredliche – und die unredlichen werden sich von der neuen Vorschrift nicht beeindrucken lassen“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Bei Kneipen ist eine solche Schanklizenz bereits Realität. Ob sie auch in der Shishabranche kommt? Fraglich.
Quelle: t-online